Ortsgeschichte

 

Die Besiedlung des Ortes Seifhennersdorf erfolgte um das Jahr 1200. Der damals undurchdringliche und unwegsame Grenzwald zwischen Böhmen und dem Land der Milzener (Wenden, Sorben) wurde zunächst entlang der Flüsse gerodet. Vom Landesherren wurden Lokatoren (Anbauer) beauftragt, Ortslagen auszugliedern und in Hufe einzuteilen. Eine Hufe war zwischen 15 und 20 Hektar groß und musste einen Bauernhof ernähren.
Dies war eine vermessungstechnische Meisterleistung, galt es doch, die unterschiedlichen Topographien gerecht auf alle zu verteilen – bei undurchdringlichem Urwald, sumpfigen und unklaren Flussufern oder bergigem Gelände mit unterschiedlichen Böden.
Seifhennersdorf hat eine Fläche von 19 km² und ist mit etwa 80 Bauernhöfen zu je 1 Hufe ≈ 20 Hektar eines der größeren Waldhufendörfer. Charakteristisch für solche Dörfer war eine ursprünglich unbebaute Flussaue, von der aus sich die Grundstücke der Höfe in schmalen Streifen 2 bis 3km lang bis zur Ortsgrenze ausdehnten. Die Gehöfte standen in langen, lockeren Reihen am Talhang, am Beginn der jeweiligen Hufe. Zunächst kamen die Felder, dann die Wiesen und das hintere (obere) Ende der Hufe war Wald. Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Wald immer mehr zurückgedrängt.
Die Auen um Mandau (auch „Altwasser“) und Leutersdorfer Wasser wurden als Bruchwälder und Gemeinschaftsweiden genutzt.
Die Wege im Ort verliefen am Rand der Auen und mussten oft mit einer Furt den Flusslauf queren.
Der Hauptweg entlang der Mandau war auch eine wichtige Verbindung zwischen Rumburg und Warnsdorf. Um den Ort zu umgehen, nutzten Räuber die sogenannte „Plunderstraße“ deren Verlauf in etwa dem heutigen Landwirtschafts- und Wanderweg quer über die Südflur folgt. Es handelte sich um eine illegale Straße, die offiziell nicht benutzt werden durfte.
Diese Straßenführung blieb auch nach 1584 erhalten, als Seifhennersdorf aus der Tollensteinschen Herrschaft herausgelöst und nach Zittau verkauft wurde. Es waren jetzt auf einmal „Ausländer“, die auf dem Weg von Rumburg nach Warnsdorf die Dorfstraße nutzten.
Im Laufe der Zeit wuchs der Ort und zu den Bauern gesellten sich sogenannte Gärtner, die kleinere Grundstücke mit maximal 1/3 Hufe ≈ 6 Hektar besaßen. Dazu kamen noch weitere Familien, sogenannte Häusler, die sich zum größten Teil in der gemeinschaftlichen Dorfaue auf kleinen Grundstücken ansiedelten.

Da die landwirtschaftlichen Erträge dieser Häuser nicht für den Lebensunterhalt ausreichten, verdingten sich die meisten als Handwerker (zumeist Heimweber) oder landwirtschaftliche Hilfskräfte. Aufgrund ihrer Lage nannte man die Häuser Auhäuser und seine Bewohner Auhäusler.
Das Haus Weißeweg 23 ist eines dieser Auhäuser. Es wurde 1614 an der oben erwähnten Dorfstraße unterhalb der Kirche und ca. 100m vor einer Furt erbaut. Im Gegensatz zu den meisten anderen Auhäusern wurde dieses Haus zweistöckig errichtet. In der Regel standen in den Wohnstuben ein oder zwei Webstühle, außerdem hielt am im Haus Kleinvieh, oftmals ein paar Ziegen.
Mit der zunehmenden Industrialisierung um 1870 entstanden überall in Seifhennersdorf größere und kleinere handwerkliche und industrielle Betriebe, während die Hausweberei nach und nach zusammenbrach. Allein hier am Weißeweg gab es vier „Kleiderfabriken“ mit 20 bis 40 Arbeitern. Auf der anderen Seite der Mandau gab es die große mechanische Weberei von P. Rentsch mit zeitweise bis zu 600 Arbeitsplätzen. Die Bevölkerungszahl im Ort stieg sprunghaft an und erreichte um 1870 etwa 6300 Einwohner. Die Häuser waren unvorstellbar dicht belegt und an vielen Häusern entstanden Anbauten wie auch am Weißeweg 23.
Nach und nach bekamen die Häuser bekamen Trinkwasser-, Elektro-, Gas- und später Telefonanschluss. Die Installation erfolgte zunächst auf niedrigstem Standard. Der Strom kam zu Beginn aus Olbersdorf. Das Wasser kam aus den Brunnenanlagen von den Feldern außerhalb des Dorfes. Das Gas wurde in einem Gaswerk auf der Südstraße hergestellt, dort in zwei großen Gasometern gespeichert und über ein Rohrnetz in Seifhennersdorf verteilt.
Das Wasser wurde zunächst fast immer nur bis in den Hausflur gelegt. Eine zentrale Abwasseranlage dagegen entstand nicht. Einige Einwohner der Stadt bauten in Eigeninitiative in den 70er und 80er Jahren Kleinkläranlagen. Zusammen mit den Industrieabwässern belasteten diese Abwässer die Flussläufe bis 1990 sehr.
Nach 1945 kamen Tausende Kriegsflüchtlinge und Vertriebene durch Seifhennersdorf. Die Einwohnerzahl stieg kurzfristig auf über 10000, jedes verfügbare Zimmer wurde genutzt. Eine Zwangsbewirtschaftung von Wohnraum über das sogenannte Wohnungsamt wurde eingeführt und blieb letztendlich bis 1989.

 

 

 

Zur Geschichte des Hauses selbst

 

Das Haus am Weißeweg 23 wurde vermutlich 1614 gebaut. Der bekannte Hausforscher Frank Delitz (* 27. September 1939 in Zittau; † 20. Oktober 2003 in Seifhennersdorf) hatte oft auf das hohe Alter des Hauses hingewiesen. Er wohnte in den letzten Jahren seines Lebens im südlich liegenden Nachbarhaus, Weißeweg Nr.19. Er versuchte immer wieder, vergeblich, die Öffentlichkeit auf die Bedeutung des Hauses aufmerksam zu machen. Vielleicht deswegen wurde während der Bearbeitung des Abrissantrages das Haus dendrochronologisch untersucht (Datierung anhand von Jahresringen im Holz), mit dem Ergebnis, dass die verarbeiteten Bäume um 1613 gefällt wurden.
Während der Baumaßnahmen 2011 – 2016 wurden unter dem Haus Grundmauern gefunden, die von einem Vorgängerbau stammen. Diese Grundmauern korrespondieren nicht mit dem jetzigen Haus.
Man errichtete das Haus 1614 an der damaligen Dorfstraße (die spätere Dorfstraße und heutige Rumburger Straße gibt es erst seit den 1840er Jahren) kurz bevor sie die Mandau in einer Furt querte. Es war ein „böhmisches Haus“, strohgedeckt mit einem Schopfdach an beiden Giebeln mit einer Oberlaube. Im Erdgeschoss rechts war es (vermutlich) in Fachwerk gebaut. Von der Konstruktion her ist das Haus ein Stockwerksbau. Jedenfalls so, wie es sich jetzt darstellt. Bestimmte Merkmale lassen auch einen Langständerbau vermuten (Geschossbauweise). So könnte der überdimensionierte Ständer neben der Haustür der Rest eines Langständers sein.
Um 1730 musste ein Teil der Blockstube genannten Holzstube erneuert werden. Einhundert Jahre später, um 1835, gab es wieder größere Baumaßnahmen. Das Haus wurde um ca. 1,30m Richtung Südwesten verlängert, offenbar brauchte man eine größere Stube. Die Blockstube wurde zu 90% neu gebaut. Auch das Umgebinde und große Teile des Fachwerks im Oberstock an der Südostfassade wurden erneuert.
Der Südwestgiebel entstand vollkommen neu. Auf ein neues Schopfdach verzichtete man jetzt. Das Fachwerk an der Südostfassade wurde als „modernes“ Rasterfachwerk ausgebildet. Die alten Strukturen lassen sich nur noch an den Blattsassen am oberem Fachwerkrähm ableiten. Der Rähm als Auflage des Daches und der Deckenbalken vom Oberstock hatte man gelassen, er wurde nur um die genannten 1,30m verlängert.

Um diese Zeit muss auch das Fachwerk des rechten Erdgeschosses durch eine Natursteinmauer ersetzt worden sein, die nun das „Massivteil“ des Hauses ausmacht.
Mit der steigenden Einwohnerzahl im Zuge der Industrialisierung wurde Wohnraum knapp und am Weißeweg 23 entstand ein monströser Massivanbau an der Nordwestseite mit 3 Zimmern und Nebengelass mit Abort. Dieses „Plumpsklosett“ gab es bis in die 1990er Jahre.
Die Oberlaube wurde abgehackt, die Balken der alten Brüstung wurden zum Teil im neuen Anbau verwendet. Das Dach wurde auf eine Biberschwanzdoppeldeckung umgedeckt. Der neue Anbau hatte eine weite „Schleppe“, die sehr oberflächlich an den alten, nun inzwischen 250 Jahre alten Dachstuhl angebunden wurde. 2014, bei der Sanierung des Daches, wurde eine starke Verformung des Daches festgestellt.
Um 1910 bekam das Haus Wasser- und Elektroanschluss, später auch einen Gasanschluss.
Die Elektroinstallation wurde immer wieder ergänzt und „modernisiert“, sie ist in Resten in einigen Räumen zur Demonstration erhalten geblieben.
Im Zuge der sprunghaft angestiegenen Einwohnerzahl durch Tausende Kriegsflüchtlinge und Vertriebene nach 1945 wurden im Haus alle Räume, auch die nicht beheizbaren Kammern, belegt. Zum Aufwärmen und zum Kochen konnte man zum Hauswirt in die Stube kommen. Mit der Normalisierung in den 1960er und 1970er Jahren zogen nach und nach die Hausbewohner aus. Zuletzt wurde das Haus wieder nur von einer Familie bewohnt. So blieb es bis in die 1990er Jahre, als dann die letzten Bewohner auszogen.
Seitdem stand das Haus leer. Eine Weiternutzung scheiterte immer wieder an den niedrigen Raumhöhen und der primitiven Haustechnik. Ein Verkauf oder eine angedachte Nutzung als Ferienhaus scheiterte. Schließlich wurde durch den Besitzer der Abbruch beantragt.
Am 8.8.2010 wurde Seifhennersdorf am frühen Nachmittag von einem starken Hochwasser heimgesucht. Das Haus im Weißeweg 23 stand bis zu den Fenstern des Erdgeschosses unter Wasser. Aufgerüttelt durch dieses Ereignis gründete sich im September 2010 der Verein „Weißeweg 23 e.V.“ mit 12 Mitgliedern und dem Ziel, das Haus zu retten und zu einem Schauhaus der Umgebindebauweise zu machen.
Der erste Schritt, die Restaurierung des Hauses, ist nun größtenteils erfolgreich abgeschlossen.

 

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