Die Fassade

 

Der Nordostgiebel

 

Das Haus „Am Weißeweg 23“ liegt mit dem Giebel zum Weißeweg, der ganz alten Dorfstraße von Seifhennersdorf.
Das Dach endet hier mit einem Schopfdach, das 2013 nach Befunden rekonstruiert wurde. Die alten Zapfenlöcher und die (abgesägten) Holznägel brauchten nur noch mit dem Gebälk ergänzt werden. Hinweise kamen von den Fachleuten von der Stiftung Umgebindehaus, vom Landesamt für Denkmalpflege in Dresden, aber auch von Hauskundlern aus Böhmen und Experten vom Nationalen Denkmalsamt in Prag.
Das Fachwerk des Oberstockes giebelseitig ist von 1614. Es ist in der üblichen Weise mit Strohlehm umwickelten Staken ausgefacht und im oberen Teil mit Lehm verputzt. Der Lehmputz war kräftig profiliert mit einem einfachen Muster, das an einigen Stellen als Befund gehalten werden konnte und gezeigt wird. Der andere wurde ergänzt.
Im unteren Teil ist auf dem Lehm ein dünner Kalkputz gelegt, der sich glücklicherweise in großen Teilen unter der ehemaligen Verbreiterung bzw. Vordach erhalten konnte. Die Ergänzungen heben sich farblich ab.

Auf dem historischen Putz hat sich in Rötel schemenhaft ein Putzbild erhalten, das als Wappen gedeutet wurde. Ein Wappen an einem zweistöckigem Haus, das seinerzeit ein stattliches Haus darstellte und an der Dorfstraße lag, charakterisiert das Haus als etwas Besonderes.
Das allerdings konnte bisher in der Chronik oder anderen historischen Schriften nicht nachgewiesen werden.
Im Brustriegel (das ist das mittlere, waagerechte Konstruktionsholz im Fachwerk) sind in ca. 1m Abstand Auflageröffnungen ausgeklinkt. Sie sind etwas schräg nach vorn geneigt, was auf ein schräges Pultdach hindeutet.
Das Erdgeschoss hat ein verputztes Natursteinmauerwerk. Die drei Balkenköpfe, auf denen das Oberstockfachwerk liegt, sind als Endstücke gestaltet derart, als ob sie etwas herauskragen würden.
Bei der Sanierung 2014 mussten Teile der Natursteinwand neu geschichtet werden. Dabei wurden Holzteile gefunden, die Reste einer Fachwerkwand sind, die durch die Natursteinwand ersetzt wurde. Die Natursteinwand besteht aus Phonolithplatten bzw.- steinen, die in Lehm versetzt sind.

 

Die Südost Traufseite, die Hofseite

 

Oftmals offenbaren Fassaden die Geschichte eines Hauses. So auch hier.
Die Fassade ist unregelmäßig und sie ist uneinheitlich.
Wir haben oben links ein Rasterfachwerk in der Art des 19.Jahrhunderts.
Rechts oben ist die Deutung schwieriger. Es fallen Blattsassen auf (Blattsassen = unterer Teil einer Überblattung) und es fällt auf, dass einige Deckenbalkenköpfe grausam abgehackt sind.
Hier auf der rechten Seite des Gebäudes befand sich eine Oberlaube, eine „Wache“, wie die Seifhennersdorfer sagen würden. Auf einmal bekommen die Blattsassen, das Zapfenloch an einem Bundständer und die abgehackten Balken einen Sinn. Die Oberlaube wurde wahrscheinlich mit dem
Bau des massiven Anbaues auf der Hinterseite des Hauses abgebrochen. Denn im Gebälk des Anbaues fanden sich Balken, die zur Brüstung der Laube gehört hatten.

Das regelmäßige Rasterfachwerk links entstand, als das Haus in den 1830er Jahren um ca. 1,30m verlängert wurde. Der obere Rähm des Fachwerks (gleichzeitig auch die Auflage für das Dach) blieb erhalten. An den Blattsassen kann man das alte Fachwerkbild rekonstruieren. Es war, wie das Fachwerk auf der Rückseite des Gebäudes, ein Kreuzstrebenfachwerk.
Wegen der Hausverlängerung um einen Sparrenabstand wurde der Rähm in sehr schlichter Art verlängert.
Die Holzstube und das gesamte Umgebinde entstanden um 1830 neu. Das Umgebinde ist sehr nüchtern, fast primitiv. Der Spannriegel fehlt, die mittleren Pfeiler haben keine Kopfbänder oder Knaggen, sie sind offenbar eine Zweitverwendung.
Die Wand um die Haustür ist verbrettert. Auch das gibt es oft in Seifhennersdorf. Darunter ist eine Ständer-Bohlenwand. Ein richtiger Türstock fehlt. Die Verbretterung kann an einer Stelle hochgeklappt werden und erlaubt einen Blick in die Konstruktion.

 

Die Hinterseite, Nordwestfassade

 

Die Hinterseite war geprägt von einem großen, massiven Anbau aus der 2.Hälfte des 19.Jahrhunderts.
Damals explodierte die Bevölkerungszahl in Seifhennersdorf. Fabriken entstanden allerorts, allein am Weißeweg vier Textilbetriebe. Wohnungen wurden gebraucht, Schulen gebaut, eine Bahnlinie verband Seifhennersdorf mit den politischen aber vor allem mit den wirtschaftlichen Zentren seinerzeit. Warnsdorf in Böhmen und Zittau. Die Kohle aus Oberschlesien kam jetzt mit der Bahn und nicht mehr mit dem Fuhrwerk aus Löbau.
Es war ein billiger Anbau mit 25er Außenwänden und einer schlampigen Gründung. Das Hochwasser 2010 verursachte irreparable Schäden. Beim Rückbau wurde am Haupthaus das alte Kreuzstrebenfachwerk wieder sichtbar mit interessanten Lehmmustern.
Der Oberstock aber wurde wegen der Regenbelastung einer Nordwestseite wieder verbrettert. Dazu wurde das Altholz von der ehemaligen Verbretterung der Südostseite verwendet.

Gerissene Bretter wurden geklebt – das Experiment gelang und zeigt, dass die Wiederverwendung von Altmaterial eine ganz besondere architektonische Option sein kann. Nur an der rechten, südlichen Ecke wird die Konstruktion gezeigt:
Wir sehen das wuchtige Kreuzstreben- Fachwerk von 1614 bis zum ehemaligen Eckständer (oder war es ein Langständer?)
und die Verlängerung um 1 Joch aus den 1830er Jahren.
Am Massivteil unten links wurde im Putz ein „Befundfenster“ gelassen. So wurde vor 150 Jahren geputzt.
Bei der Sanierung 2015 wurde vor Ort Sand mit Kalk und einer „Spitze Zement“ gemischt und mit Kelle und Reibebrett verputzt. Einen Putzsockel gibt es nicht, das war früher bei allen alten Häusern üblich. Nur im Mischungsverhältnis ist bei den unteren 30 cm etwas mehr Zement verwendet worden.

 

 

 

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